Arbeit nervt, das wussten alle lange, bevor Deichkind diese Tatsache besungen hat. Arbeit macht manchmal aber auch krank. Obwohl auch das bekannt ist, werden sich trotzdem möglicherweise zu wenig Gedanken darüber gemacht, was das für die berufliche Zukunft bedeuten kann. Denn schlimmstenfalls gibt es plötzlich gar keine solche Zukunft mehr. Schwer zu glauben in Zeiten, in denen es einem gut geht und dringende Angelegenheiten und zu viel zu tun noch die schwerwiegendsten Probleme sind, mit denen man sich rumschlagen muss.
Wie so viele wirklich unangenehme Dinge ist auch Berufsunfähigkeit etwas, das vornehmlich immer nur anderen passiert. Das ist ein nur allzu bekannter mentaler Schutzmechanismus, der die Menschen davon abhält, ständig mit Sorgenfalten im Gesicht herumzurennen und wegen jeder Kleinigkeit in Panik zu geraten. Derselbe Mechanismus verhindert aber gleichzeitig, sich die tatsächlich bestehenden Risiken im Leben von Zeit zu Zeit vor Augen zu führen.
Risiken mit dem Potenzial, genau dieses Leben grundlegend auf den Kopf zu stellen, wohlgemerkt. Auch das trifft auf die Berufsunfähigkeit zu, denn so sehr der Job manchmal nervt, die meisten gehen diesem (im Idealfall) ja doch gerne nach. Abgesehen davon ist er nun einmal gezwungenermaßen die Existenzgrundlage. Das gilt ebenfalls für alle Berufstätigen – genauso wie das Risiko, aus irgendeinem Grund aus dem hoffentlich geliebten Berufsfeld aussteigen zu müssen. Dazu braucht es nicht den tagtäglichen Umgang mit schwerem Gerät oder lebensbedrohlichen Gefahrenstoffen. Dazu reicht häufig genug ein vermeintlich beschaulicher Bürojob.
Der Begriff der Berufsunfähigkeit ist im Versicherungsvertragsgesetz in einigermaßen verständlicher Form erklärt und definiert. Demnach gilt als berufsunfähig,
„wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann.“
Das kann dann zusätzlich noch ausgeweitet werden, so dass es ebenfalls den Tatbestand der Berufsunfähigkeit erfüllt, wenn keine andere Tätigkeit ausgeübt werden kann, die der bisherigen Ausbildung und den Fähigkeiten der betroffenen Person entsprechen. Was hinsichtlich der Absicherung gegen einen solchen Fall schon an dieser Stelle erwähnt sein sollte: Die Versicherungsunternehmen haben keine solche einheitliche Definition.
Dazu besteht die Schwierigkeit, den Begriff gegen ähnlich klingende abzugrenzen. Erwerbsunfähig ist man nur dann, wenn man eine Krankheit oder eine Behinderung auf unbestimmte Zeit hat, welche daran hindert, die normale Erwerbstätigkeit regelmäßig auszuüben. Arbeitsunfähigkeit ist im Gegensatz dazu nicht an einen bestimmten Zeitraum geknüpft – wenn die vorgegebenen Kriterien erfüllt sind (das bedeutet grob gesagt eine Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustandes durch die Erwerbstätigkeit selbst), kann sie schon für einen einzigen Tag bestehen.
Ein Sonderfall ist in dieser Reihe die Invalidität, weil bei ihr zum einen vollkommen unerheblich ist, welche Folgen die körperlichen Einschränkungen für das Berufsleben haben. Zum anderen werden unter diesem Begriff gerne auch Berufs-, Erwerbs- und Arbeitsunfähigkeit zusammengefasst.
Bei vielen wird sich wohl das Bild körperlich schwer arbeitender Menschen einstellen, wenn der Begriff „Berufsunfähigkeit“ im Raum steht. Das ist sogar nachvollziehbar, weil körperliche Arbeit nun mal an die Substanz geht und einen entsprechenden Tribut fordert. Abgesehen davon sind solche physischen Arbeiten oft genug mit anderen Gefahrenquellen verbunden, die das Risiko nochmals erhöhen, aus dem Berufsleben ausscheiden zu müssen. Die häufigste Ursache sind rein körperliche Schäden jedoch nicht.
Denn diese finden sich mehr auf der psychischen Ebene. Nervenkrankheiten und/oder psychische Erkrankungen sind nach wie vor der Hauptgrund für ein unbeabsichtigtes und vorzeitiges Ausscheiden aus dem Beruf. An erster Stelle: Stress. Der ist grundsätzlich eigentlich gar nicht schlecht; positiver Stress steigert durchaus die Leistungsfähigkeit. Dauerhaft geht das aber nicht gut und chronischer Stress ist nicht nur der häufigste Grund für Berufsunfähigkeit, er verursacht außerdem schwerwiegende Folgeerkrankungen. Sobald sich die ersten Symptome für Dauerstress bemerkbar machen, sollten daher Gegenmaßnahmen eingeläutet werden.
Das gilt auch für Schäden durch starke körperliche Belastungen, wobei das nicht an jedem Arbeitsplatz umsetzbar ist. Es wäre allerdings ein Trugschluss, solche Erkrankungen einzig und allein schwerer körperlicher Arbeit zuzuschreiben. Sicher ist dauerhaftes Heben und Tragen von schwerem Gerät einer der Hauptgründe für Diagnosen wie Rückenleiden. Andererseits ist schon ein Mangel an Ergonomie im Büro dazu angetan, zu ebensolchen Erkrankungen zu führen. Langes und vor allem falsches Sitzen wirkt sich früher oder später in unangenehmer Weise auf den gesamten Körper aus, vorzugsweise den Oberkörper im Bereich des Nackens, der Schultern und des Rückens als solchem.
Wobei es im Büro vergleichsweise leicht sein sollte, den ergonomischen Anforderungen des Arbeitsplatzes gerecht zu werden. Oder einfach mal aufzustehen. Oder nach der Arbeit für einen angemessenen Ausgleich zu sorgen.
Das Herz-Kreislaufsystem kann aus verschiedenen Gründen angegriffen werden, nicht zuletzt sorgt der vielfach zitierte Stress in seiner chronischen Form für Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen. Dazu kommen genetische Veranlagungen und Umweltfaktoren.
Die Folgeerkrankungen sind in ihrer Ernsthaftigkeit nicht zu unterschätzen, denn Herzinfarkte und Schlaganfälle sind nicht allein für das Ausscheiden aus dem Beruf verantwortlich, sondern nach wie vor Todesursache Nummer eins in Deutschland.
Die gute Nachricht immerhin: Sowohl die verbesserte Diagnostik, die vorbeugende Behandlung von Symptomen wie Bluthochdruck als auch die Intensivmedizin haben in dieser Hinsicht für gänzlich andere Vorzeichen gesorgt als noch vor 40 Jahren. Was beileibe kein Grund ist, sich auf die Medizin zu verlassen und nicht selbst tätig zu werden.
Vom medizinischen Fortschritt profitieren auch diejenigen, die an einer Krebserkrankung leiden – sofern man das in Anbetracht der Behandlungsmethoden überhaupt so sagen kann. Fakt ist nun einmal, dass die notwendigen Therapien und Medikamente genauso zu Einschränkungen beim Ausüben der beruflichen Tätigkeit beitragen wie die Erkrankung selbst. Schlicht und ergreifend deswegen, weil sie so kräftezehrend und deshalb mit dem Joballtag unvereinbar sind.
Die Zahl der Neudiagnosen ist trotz immer neuer Behandlungsmöglichkeiten nicht rückläufig, weswegen Krebserkrankungen einen nicht unbeträchtlichen Anteil an den Gründen für eine Berufsunfähigkeit haben – und die Tendenz für die kommenden Jahrzehnte zeigt weiterhin nach oben. Das liegt nicht zuletzt an der Vielzahl möglicher Ursachen und dem oftmals späten Zeitpunkt der Diagnose.
Deutlich seltener als beispielsweise psychische Erkrankungen, aber deswegen in ihren Konsequenzen kaum weniger schlimm, sind Arbeitsunfälle. Da sie im Prinzip in so gut wie allen Bereichen des täglichen Lebens passieren können, sind sie zudem auch mit keinem geringeren Risiko behaftet. Im Gegenteil. Außerdem muss der Unfall nicht zwingend direkt am Arbeitsplatz ereignen, auch ein Unglück auf dem Hin- oder Rückweg fällt noch unter die Definition des Arbeitsunfalls. Wer sich nun vor Augen führt, was im Alltag so alles passieren kann, wird schnell das Gefahrenpotenzial erkennen, durch einen Unfall berufsunfähig zu werden.
Versicherungen sind immer ein leidiges Thema: Weil sie Zeit und Geld kosten. Weil man sich erst informieren muss und sich die Konditionen für unbedarfte Laien oft genug nicht auf den ersten Blick erschließen. Weil sie selten mit Themen in Zusammenhang stehen, die in irgendeiner Form angenehm oder spaßig sind.
Für die Absicherung gegen eine mögliche Berufsunfähigkeit gibt es grundsätzlich zwei unterschiedliche Optionen:
Wie die Wahl des Versicherungsmodells letztlich ausfällt, hängt auch von den jeweiligen Lebensumständen ab. Das ist übrigens nicht immer nur eine Frage des Geldes, vielmehr kann schon der Gesundheitszustand eine unüberbrückbare Hürde für den Zugang zu einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung darstellen. Immerhin: Es gibt Alternativen hierzu.
Dass man sich hinsichtlich der Absicherung gegen eine mögliche Berufsunfähigkeit nach Alternativen umsehen muss, kann – wie bereits erwähnt – mit dem gesundheitlichen Zustand zusammenhängen. Vor Abschluss eines Versicherungsvertrages wird nämlich anhand verschiedener Daten darüber entschieden, ob es überhaupt dazu kommt beziehungsweise zu welchen Konditionen. Die Frage, die es von Seiten der Versicherer nämlich vorab zu klären gilt, lautet: Wie hoch ist das Risiko, dass der potenzielle Versicherungsnehmer wirklich berufsunfähig wird?
Um das zu klären wird vor dem Vertragsabschluss eine Risikoprüfung vorgenommen. Diese umfasst im Normalfall einen Fragebogen zum Gesundheitszustand und der Krankheitsvorgeschichte (was für gewöhnlich einen Zeitraum zwischen fünf und zehn Jahren vor dem Stellen des Antrags betrifft), der schriftlich auszufüllen ist. Sind irgendwelche Einschränkungen vorhanden, die der Fragebogen nicht erfasst, die aber für den Vertragsschluss von Bedeutung sein könnten – darunter fallen beispielsweise Allergien –, müssen auch diese in einem weiteren Bogen angeben werden.
Relevant sind neben der gesundheitlichen Verfassung (inklusive aktuellen oder älteren Krankheiten) auch der ausgeübte Beruf (verschiedene Tätigkeiten bringen unterschiedliche und vor allem unterschiedlich große Risiken mit sich), das Gefahrenpotenzial etwaiger Hobbys und das Alter. Letzteres ist insofern von Bedeutung, weil es bei den Ursachen für eine Berufsunfähigkeit durchaus altersbedingte Unterschiede gibt: Ab 51 Jahren besteht zum Beispiel ein doppelt so hohes Risiko von Herz- oder Gefäßkrankheiten, dafür sind jüngere Menschen dreimal häufiger in Unfälle verwickelt. Die traurige Wahrheit hinsichtlich psychischer Erkrankungen – diese treffen Jung und Alt leider gleichermaßen.
Hinweis: Es bringt an diesem Punkt überhaupt nichts, wenn falsche Angaben gemacht werden. Erschleicht man sich durch das Verschweigen von Vorerkrankungen den Zugang zur Versicherung, können unter Umständen die Leistungen genau dann vorenthalten werden, wenn sie am dringendsten gebraucht werden. Es gilt bei der Beantwortung der Fragen die altbewährte Devise: „Ehrlich währt am längsten.“
Tatsächlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass Falschangaben sogar schon im Vorfeld aufgedeckt werden. Das Antragsformular für die Berufsunfähigkeitsversicherung beinhaltet gleichzeitig nämlich eine Erklärung zur Entbindung von der Schweigepflicht. Was übersetzt bedeutet, der Versicherer kann die Angaben beim Hausarzt oder anderen behandelnden Ärzten nachprüfen. Das hat aber selbst dann Auswirkungen auf die Vertragsbedingungen, wenn alle Informationen korrekt waren:
Diese Leistungen bestehen in erster Linie in der Zahlung einer monatlichen Berufsunfähigkeitsrente. Deren Höhe kann man nach eigenem Ermessen zusammen mit dem Versicherer nach eigener Wahl festlegen. Wichtig ist vor allem, damit eine mögliche Vorsorgelücke (das ist die Differenz zwischen dem finanziellen Bedarf und dem tatsächlichen Einkommen) schließen zu können.
Tatsächlich ist es sogar noch wichtiger, weil es die gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente in dieser Form nicht mehr gibt. Jedenfalls nicht für all diejenigen, die nach dem 1. Januar 1961 geboren sind. Die müssen sich mit einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente zufriedengeben, die bei lediglich 38 Prozent des letzten Bruttoeinkommens liegt – und in dieser Höhe auch nur ausgezahlt wird, wenn die Betroffenen weniger als drei Stunden am Tag arbeiten können. Dabei ist die berufliche Qualifikation oder der bisherige berufliche Werdegang, denn diese Arbeitsfähigkeit bezieht sich auf prinzipiell jeden verfügbaren Job.
Bis hierhin war das alles graue Theorie, es stellt sich aber doch die Frage, wie es um die praktischen Aspekte rund um die Berufsunfähigkeit bestellt ist. Der Vertragsabschluss ist schließlich die eine, die damit verbundene Rente zu bekommen allerdings eine gänzlich andere Angelegenheit.
Für die Rentenzahlungen muss die Berufsunfähigkeit nämlich zuerst durch einen Facharzt festgestellt werden, die Diagnose wird normalerweise ebenfalls in Form eines Melde- oder Fragebogens erfasst. Je nachdem, wie das Urteil des Arztes ausfällt, kann eine neuerliche Prüfung durch einen Gutachter anberaumt werden. Dazu schlägt der Versicherer drei Ärzte vor, von denen einer anschließend ausgewählt werden kann.
Wirklich vertrackt wird es, wenn die Berufsunfähigkeit mit Schmerzen begründet wird. Das stellt die Betroffenen vor die Nachweispflicht. Das Problem hierbei: Schmerzen können zwar sehr wohl als Ursache der Berufsunfähigkeit geltend gemacht werden. Da sie aber eine subjektive Empfindung darstellen, ist der objektive Beweis natürlich schwierig. Unterstrichen wurde das erst im vergangenen September durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Obwohl hier gegen den Kläger entschieden wurde, bestehen trotzdem verschiedene Möglichkeiten, den geforderten Beweis zu erbringen – entweder durch körperliche (sprich: orthopädische oder neurologische) Ursachen oder über psychische/psychosomatische Gründe.
Tatsächlich gibt es verschiedene Gründe für einen zurückgewiesenen Leistungsantrag. Die beiden wichtigsten darunter: die ausbleibende Reaktion der Kunden und ein nicht ausreichender Grad der Berufsunfähigkeit – der muss bei mindestens 50 Prozent liegen. Deutlich abgenommen hat unter den Ablehnungsgründen die Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht, so zumindest die Beobachtung der Morgen & Morgen Analyse-Agentur: Noch vor zehn Jahren war das in jedem vierten Fall der Ablehnungsgrund, inzwischen machen solche Vertragsverletzungen weniger als neun Prozent aus.
Sollte die Bescheinigung der Berufsunfähigkeit wegen der Diagnosen von Arzt und/oder Gutachter ausbleiben, gibt es im Übrigen die Möglichkeit, einen neutralen Ombudsmann der Versicherungswirtschaft einzuschalten. Dessen Entscheidungen sind bis zu einem Beschwerdewert von 10.000 Euro verbindlich für die Versicherer. Solange keine schriftliche Ablehnung vorliegt und noch keine gerichtlichen Schritte eingeleitet wurden, können (unverbindliche) Empfehlungen sogar bei Fällen mit einem Beschwerdewert von bis zu 100.000 Euro eingeholt werden.
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